Eine neue GORE-TEX Jacke eröffnet jedem Outdoor-Sportler eine neue Welt: Das Bollwerk gegen Wind und Wetter übergestreift und hinaus in die Natur: Egal ob es regnet oder schneit, hinauf auf den Berg und auch der matschigste tropfnasse Wald kann einen mit so einer Ausrüstung nicht vom Mountainbiken abhalten.
Das Wasser perlt ab, die Nässe bleibt draußen, der Dampf entweicht, der Körper bleibt trocken und warm. Doch irgendwann...irgendwann kommt der Moment, und mit ihm die Zweifel: Das Wasser läuft nicht mehr in Rinnsalen ab, sondern kriecht in den Stoff hinein und verwandelt die Jacke in einen nassen Lappen. Außen bleibt der Schmutz kleben und irgendwie fühlt sich das T-Shirt klamm an und ein bisschen kalt. Die Jacke ist nicht mehr dicht, keine Frage. Aber ja, doch, eine Frage, sogar mehrere: Wie alt ist die Jacke? Wie wurde sie benutzt? Und die wichtigste: Haben Sie die Jacke regelmäßig gewaschen und gepflegt?
Alt ist alt und Loch ist Loch. Und gewaschen hält länger.
Drei Viertel aller Reklamationen, die bei Gore im Kundendienst anfallen, lösen sich nach einem kurzen Gespräch in Kundenzufriedenheit auf, denn die meisten zweifelnden Nutzer oder fröstelnden Kundinnen beantworten die letzte Frage mit „nein“. Richtiges und regelmäßiges Waschen und Nachimprägnieren sind die Schlüsselreize, damit eine Jacke in Freilandhaltung glücklich und in Würde alt werden kann.
Gore hat das klare Ziel, seine Produkte möglichst robust und langlebig zu machen, so dass die Nutzer möglichst lange Freude daran haben. In der Theorie gelingt das, dies bestätigen aufwändige Labor- und Fieldtests bereits in der langwierigen Entwicklungsphase. Doch natürlich setzen die Zähne der Zeit, raue Rucksackträger, grobes Gestein und scharfe Skikanten auch der besten Bekleidung zu. Alt ist eben nicht neu. Aber wie alt ist immer noch gut? Und ist eine alte Jacke noch dicht?
Die Ausrüstungsredakteure der Zeitschrift ALPIN wollten das herausfinden und haben ihre Leser aufgerufen, ihnen alte GORE-TEX Jacken zu schicken. Ausgewählte Jacken sollten in den Labors von Gore in Feldkirchen-Westerham (30 Kilometer südlich von München) auf Wasserdichtigkeit und Verschleiß untersucht werden. Wir wollten herausfinden, wo und welche Probleme bei normalen alten Jacken auftreten, die unter normalen Bedingungen von normalen Menschen jahrelang genutzt wurden. Danach sollten sie (wenn möglich) repariert sowie gewaschen und imprägniert werden, um bei ihren Besitzern ihren zweiten Frühling erleben zu können.
Olaf klärt das schon
Zusammen mit Gore haben Redakteur Olaf Perwitzschky und sein Team am Testablauf gefeilt. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass Jacken von Bergsteigern mindestens zehn Jahre lang verwendet werden (können). Meine eigene Alpha SV von 2004 beispielsweise habe ich 2014 weiter verkauft: Sie war nicht übermäßig viel getragen, aber zwei Himalaja-Expeditionen, etliche Skitouren, Eisklettertage und alpine Felstouren hatte sie schon hinter sich. Und sie war immer noch einwandfrei – bis auf ein kleines Loch am Hintern, das sie einer Kaminschrubberei im Wilden Kaiser zu verdanken hatte.
Wir kamen überein, dass die Jacken der ALPIN-Leser älter als zehn Jahre sein sollten, um für unsere Untersuchung ausreichend gereift zu sein. Dem Aufruf in der ALPIN (Januar-Ausgabe 2017) folgten über 130 Leser und schickten ihre Bewerbungen an die Redaktion. Die „Lebensläufe“ der Jacken waren teils äußerst unterhaltsam und die Vielfalt der Einsendungen hat alle überrascht. Von der zehn Jahre alten Leichtjacke aus GORE-TEX Paclite bis zum wattierten Alpinmonster aus den Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts war alles dabei – ein tolles Panoptikum der Gore-Bekleidungswelt und ein Ausflug in die Geschichte der Marke GORE-TEX. Aus den Einsendungen hat der Experte Olaf zehn Gewinner ausgewählt. Diese schickten ihre alten Jacken an die ALPIN-Redaktion und zum Dank (und natürlich als Anreiz, sich überhaupt zu bewerben) erhielten die Besitzer der schönen Veteranenjacken eine nagelneue GORE-TEX Jacke von Marmot.
Auf die harte Tour: der Test
Stefan Marschar, der „Rainman“, ließ es aus Kübeln schütten, er beschwor Höllenstürme herauf und presste das Wasser in jede Falte: „Im Regenturm habe ich die Jacken zwei verschiedenen Regenszenarien ausgesetzt. So sieht man erstmal, ob die Jacken grundsätzlich noch was aushalten bzw. wo und bei welchen Bedingungen Wasser nach innen durchkommt.“
Auch wenn GORE-TEX Laminate theoretisch ewig wasserdicht bleiben: In der Praxis können nach jahrelanger intensiver Nutzung irgendwo Undichtigkeiten auftreten – sei es an den Nähten oder durch winzige Löcher, die etwa durch Dornen, Einklemmen in einer Autotür oder Funkenflug entstehen. Ob dies in der Praxis relevant ist, zeigt der Test im Regenturm und umso mehr der Sutertest.
„Mit dem Spraytest wird die Imprägnierung genauer dokumentiert: Wie gut perlt das Wasser ab? Der Sutertest kommt zum Einsatz, wenn wir den Verdacht haben, eine Jacke ist partiell undicht. Unter hohem Druck sieht man schnell, ob an einer Stelle Wasser eintritt“, erklärt Stefan.
Schon nach wenigen Sekunden wird offensichtlich, ob noch eine Imprägnierung vorhanden ist. Dies ist ein Indiz dafür, wie gut eine Jacke gepflegt wurde. Je weniger Pflege, desto schneller verschleißt die Bekleidung: Mikroskopische Schmutzpartikel können leichter in das Textil eindringen und die Verklebungen und sogar die Membrane mechanisch schädigen. Eine gute Imprägnierung beeinflusst also nicht nur die Funktionalität positiv, sondern sorgt auch für eine längere Lebensdauer der Jacke!
Die Erkenntnisse
Olaf und eine Kollegin aus der ALPIN-Redaktion nahmen zusammen mit GORE-TEX Produktspezialist Chris Eisenmann in den Gore-Labors die Jacken genauer unter die Lupe. Chris als eingefleischter Produktmensch war ganz aus dem Häuschen, als er die Jacken das erste Mal in die Finger bekam. Solch eine Vielfalt an gebrauchten Jacken aus drei vergangenen Jahrzehnten auf dem Seziertisch liegen zu haben, ist eben auch für einen erfahrenen Gorianer nicht alltäglich. „Wow, diese Konstruktion ist eigentlich gar nicht erlaubt. Das entspricht heute nicht mehr unseren Vorgaben an die Markenpartner, mit denen wir sicherstellen, dass wir unser Produktversprechen einhalten können“, kommentierte Chris die Kapuze einer greisen Salewa Jacke. „Aber vor 30 Jahren war eben vieles noch anders und machte aus damaliger Sicht durchaus Sinn.“
Textilien und Verarbeitungstechniken haben sich gewaltig weiterentwickelt. Selten konnte dies bis jetzt so anschaulich gezeigt werden wie durch die Initiative des ALPIN Magazins, die es auch Gore ermöglichte, einen Ausflug in die eigene Bekleidungshistorie zu unternehmen. Zwei Lagen, zweieinhalb Lagen, drei Lagen, Z-Liner, verschiedene Reißverschlussgenerationen, Ripstop-Nylon, epochale Farbgebungen, breite und schmale Nahtbänder, umfangreiche Ausstattungen mit dicken Taschen oder sehr reduzierte Schnitte und Designs: Wie gut die Alten noch sind, war teilweise überraschend, andererseits erwartbar desaströs. An manchen bröselnden Ruinen wurde offensichtlich, dass manchmal einfach die Lebenszeit abgelaufen war. Andere Jacken hingegen – wie eine immerhin 14 Jahre alte Alpinjacke von Mountain Equipment Coop aus Kanada oder eine 15-jährige von Schöffel – waren tipptopp in Schuss. Bei erstgenannter war sogar die DWR (Durable Water Repellency, also Imprägnierung) noch tadellos. Ein Indiz dafür, dass der Besitzer sich all die Jahre um das gute Stück gekümmert hat.
Bei anderen war augenscheinlich, dass die Jacken intensiv in Gebrauch waren. Eine 15 Jahre alte Mammut Extreme zum Beispiel war trotzdem immer noch absolut einsatzfähig. Und bei einer 28 Jahre alten, gefütterte Bergjacke von Mammut konnte zwar das Innenleben nicht komplett untersucht werden, aber nach ein paar Reparaturen ist die Achtziger-Jahre-Jacke wieder einsatzbereit – und sticht stylemäßig etliche junge, unerfahrene Konkurrenten souverän aus.
Wir danken ALPIN für die tolle Kooperation und allen Teilnehmern für die interessanten Geschichten. Und wir wünschen den Gewinnern viele schöne Outdoor-Erlebnisse mit ihren neuen alten (und den nagelneuen) GORE-TEX Jacken!
Um mehr darüber zu erfahren wie GORE-TEX Jacken testet besucht unseren Blogbeitrag "Das Beste testen".
Joachim Stark
Alpinexperte in Theorie, Praxis, Bild und Text. Joachim ist Allround-Bergsportler: Alpin-, Eis- und Sportklettern, Skitouren, Mountainbiken stehen auf seiner Freizeitliste – wenn er neben Pressearbeit, Fotografie, Grafik- und Layoutarbeit für Unternehmen aus der Outdoorbranche freie Zeit findet. Für die Marke GORE-TEX arbeitet er seit 2012 als freier Mitarbeiter.
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