Ich trete ins Tageslicht. Meine Augen brauchen eine Weile, um sich nach der kühlen Dunkelheit in der Stickle Ghyll Barn wieder ans Helle zu gewöhnen. Das geschäftige Treiben der Arc’teryx Climbing Academy Lake District 2023 ist so ganz anders als die Ruhe, die Stille der fast verlassenen ehemaligen Scheune. Die von Arc’teryx gesponserte Kletterin Mina Leslie-Wujastyk nimmt an der Veranstaltung teil, leitet Seminare und zeigt einen neuen Film über das Klettern als Mutter. Eine gute Gelegenheit, dachten wir uns, mit ihr zu sprechenund mehr über ihr Leben zu erfahren und darüber, warum langlebige, zuverlässige Bekleidung beim Klettern in UK so wichtig ist – besonders in Cumbria, wo das Wetter so unberechenbar ist.
Unsere Unterhaltung fühlt sich eher an wie Yoga für den Geist als wie ein Gespräch: dehnend, anregend, beruhigend ... völlig entspannend. Es ist nicht nur das, was sie sagt. Mina spricht in einer Art von Achtsamkeit, die inspirierend ist und der man sich unmöglich entziehen kann.
Zeit
Fast ironisch, dass wir unser Gespräch mit Yoga beginnen. Mina hat an diesem Morgen eine offene Sitzung für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Academy geleitet. „Ich beginne meinen Morgen gerne mit Yoga, wenn ich kann. Nichts Verrücktes – ich bin eigentlich nicht besonders beweglich – aber ich nehme es als schnellen geistigen und körperlichen Check. Yoga bedeutet Zeit für mich selbst, egal, wie voll der Rest des Tages ist.“
Zeit ist für Mina gerade ein knappes Gut. Ihr Sohn Isaac ist jetzt zwei Jahre alt und jeder, der Kinder hat, weiß, was das bedeutet – wenn es darum geht, genug Zeit für die ganz profanen Dinge des Lebens zu finden, ganz zu schweigen von allem anderen. Zeit zum Klettern zu finden, ist im Moment noch schwieriger. Doch bevor wir über das Jetzt sprechen, wollen wir zurückspulen zu dem, was Mina dahin gebracht hat, wo sie jetzt ist.
(Foto: Tom Hill)
Wie ein Fels
„Wenn man mich in zwei Hälften schneiden würde, stünde in der Mitte ‚Kletterin‘.“
Klettern gehört zu Minas Leben, so lange sie denken kann. „Das ist ein Satz, den ich von Katy Whittaker (Kletterkollegin und Organisatorin der Arc’teryx Climbing Academy) übernommen habe. Ich bin schon als Kind geklettert, und abgesehen von ein paar Jahren als Teenager ist es seitdem fester Bestandteil meines Lebens. Klettern hat mir schon immer Spaß gemacht. Es war und ist für mein Leben von zentraler Bedeutung. Ich schätze, meine Beziehung zum Klettern hat sich ein wenig verändert, als ich anfing, Wettkämpfe zu bestreiten. Da waren dann Struktur und Training gefragt – aber ich bin einfach eine Kletterin durch und durch.“
Trotz Verletzungen, trotz der Suche nach jeder Ausprägung des Sports – Wettkämpfe, Sportklettern, Bouldern – und trotz allem anderen war und ist Mina eine Kletterin. Auch die Außenwelt definiert Mina über das Klettern, und wenn sie nicht klettert, arbeitet sie als Klettertrainerin für Lattice Training. Doch in den letzten Jahren haben sich ihre Prioritäten geändert ...
„Mutter zu sein, hat definitiv eine gewisse Eingewöhnung erfordert und tut es immer noch. Man könnte fast von einer gespaltenen Persönlichkeit sprechen: mein altes Ich, Mina, die Kletterin, und mein neues Ich als Mutter. Ich liebe es, Mutter zu sein und nehme alles, was diese Rolle mit sich bringt, voll und ganz an. Aber ich glaube auch fest daran, dass ich das, was mich ausmacht, bewahren muss, um die beste Mutter zu sein, die ich sein kann.
„In manchen Wochen habe ich die Möglichkeit, viel zu klettern. Dann klappt einfach alles, alles läuft gut. Manchmal komme ich aber auch zwei Wochen lang nicht dazu. Das hat meine Beziehung zum Klettern verändert, aber auf eine wirklich positive Weise. Ich möchte nicht einfach zu dem zurückkehren, was vorher war. Ich genieße es, das Gleichgewicht zu finden.“
(Foto: Charlotte Bull)
Der Prozess
Kommen wir kurz darauf zurück, was wir unter professionellen Kletterern verstehen. Schaut man sich einen Kurzbericht oder ein Interview an, steht meistens die Tickliste ganz oben. Die höchsten Grade, die beeindruckendsten Routen oder schwierigsten Herausforderungen, die sie geklettert sind. (Fürs Protokoll: Mina hat in den meisten Kletterdisziplinen eine beeindruckende Bilanz vorzuweisen). Selbst viel, viel weiter unten auf der Skala des Könnens gibt es nur wenige Kletterer, die von sich behaupten können, dass sie sich nicht im Entferntesten für Schwierigkeitsgrade interessieren oder ihre Kletterrouten nirgendwo abhaken. Zu Beginn unserer sportlichen Laufbahn verbessern wir uns, werden stärker, lernen, entwickeln uns weiter, verbessern uns noch mehr, bis wir schließlich auf einem Plateau landen und nur noch kleine, schrittweise Fortschritte machen. Irgendwann jedoch, sei es aufgrund des Alters, einer Verletzung oder vielleicht auch Elternschaft, lässt unsere Leistung nach, zumindest zeitweise. Das mag für den Amateur frustrierend sein. Doch welche Auswirkungen hat das auf jemanden, der zumindest einen Teil seines Einkommens mit Klettern verdient?
(Foto: Tom Hill)
„Es gibt so vieles, was ich am Klettern liebe. Nicht nur den Versuch, die schwersten Sachen zu klettern, die es gibt. Was mich zum Beispiel von Anfang an fasziniert hat und immer noch antreibt, ist die soziale Seite des Kletterns. Freundschaft und Gemeinschaft sind immens wichtig für mich. Unabhängig von Frustrationen, Müdigkeit oder anderen schwierigen Dingen, die das Leben unweigerlich mit sich bringt, ist die Unterstützung von Freunden und meiner Community für mich sehr wertvoll.
Wenn es um das Klettern an sich geht, habe ich immer den Prozess und die Bewegung des Kletterns geliebt. Das hängt nicht unbedingt von einem Ziel ab. Ich mag dieses Gefühl des Flows, das mir das Klettern gibt. Mir gefällt, dass ich beim Klettern einen Zustand erreiche, in dem ich mich auf alles und nichts konzentriere. Ich genieße es sehr, die direkte Umgebung eingehender zu erkunden. Ich wohne im Peak District. Direkt vor meiner Haustür gibt es genug Klettermöglichkeiten für ein ganzes Leben.“
Absicherung
Unser Gespräch zeigt, dass die Zeitfenster zum Klettern für Mina noch wichtiger sind als je zuvor. Beim Klettern in ihrer Gegend ist allerdings klar, dass das Wetter jede einzelne Entscheidung dominiert: wo man klettert, wann man klettern, was man anzieht ... und meistens muss man auf das genaue Gegenteil von dem vorbereitet sein, was vorhergesagt wurde.
„Ich habe das große Glück, dass ich Zugang zu all den tollen Kleidungsstücken habe, die Arc’teryx anbietet. Doch wenn der Fels nass ist, kann man nicht klettern. Du hast also all diese Schichten als Absicherung dabei. Du machst dich voller Optimismus auf den Weg, wärmst dich auf und beginnst mit der Arbeit an der Route oder dem Problem. Dann hältst du inne und ruhst dich aus. Dir wird kalt, also ziehst du all diese warmen Sachen an. Und gute Kleidung bedeutet einfach, dass du dir darüber keine Gedanken machst. Als Kletterer trainieren wir hart und versuchen, jeden Teil des Prozesses beim Klettern einer Route zu optimieren. Die richtige Kleidung ist ein Teil davon. Wenn einem kalt wird oder man sich beeilt, nur weil man nicht frieren will, fehlt ein Teil des Puzzles. Das Schlimme daran ist, dass das ganz leicht zu beheben ist ... es geht nicht um monatelanges Training, es geht nur darum, die richtige Jacke einzupacken.
Und dann ist es so oft vorgekommen, dass ich am Fels war und die dunklen Wolken kommen sah, aber kletterte und kletterte, bis das Wetter umschlug. Ich flüchtete erst dann, als es in Strömen regnete. Eine zuverlässige GORE-TEX Jacke ist so wichtig. Wenn man etwas hat, das so strapazierfähig ist, dass man es überall dazwischenquetschen, sich draufsetzen, schnell überziehen und einfach weitermachen kann, muss man sich um eine Sache weniger Sorgen machen. Ich habe meine wasserdichte Jacke heute hier bei mir und nutze den Service von Granger‘s, um sie waschen und imprägnieren zu lassen. Damit bin ich für das schlimmste Wetter im Lake District gerüstet.“
(Foto: Charlotte Bull)
Die Gratwanderung
Mina folgt mir, als wir nach draußen gehen, und ein paar Minuten später sehe ich sie auf der anderen Seite des Basecamps, mit Isaac auf dem Arm. Später am Tag wird sie einen Kletterkurs leiten. Es wäre oberflächlich und mit ziemlicher Sicherheit unwahr, dies als ein Bild der Perfektion zu zeichnen ... man KANN alles haben, immer und jederzeit! So funktioniert das Leben nicht. Aber im Moment ist die Gratwanderung gelungen, das Leben ist im Gleichgewicht.
(Foto: Charlotte Bull)